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Was macht Dänemark so resilient? Wir haben einen dänischen Ingenieur gefragt

Veröffentlicht am 26. Februar 2025

Dänemark ist im FM Resilience Index 2025 erneut weltweiter Spitzenreiter.


Simon Barsoum, dänischer Senior Consultant Engineer beim Industriesachversicherungsunternehmen FM.

FM hat vor Kurzem den Resilience Index 2025, ein Ranking des Wirtschaftsumfelds von 130 Ländern und Regionen, veröffentlicht. Auch dieses Mal hob sich ein Land stark von den anderen ab: Dänemark.

Dies überraschte kaum. Selbst in Jahren, in denen das Land von Norwegen überholt oder sich mit Singapur ein enges Kopf-an-Kopf-Rennen lieferte, lag Dänemark immer auf einem der vorderen Plätze des FM Resilience Index. Was zeichnet Dänemark aus? Zur Beantwortung dieser Frage kann man sich die Daten ansehen: eine starke Wirtschaft, Verbesserungen bei der Cybersicherheit und ein gutes Bildungssystem.

Man kann aber auch einen dänischen Ingenieur fragen. FM hat Kunden auf der ganzen Welt. Entsprechend sind auch die Mitarbeitenden des Industriesachversicherers weltweit aktiv. Simon Barsoum wurde in Dänemark als Sohn einer ägyptischen Familie geboren und ist dort aufgewachsen. Er ist dänischer Muttersprachler und lebt auch dort. Als Ingenieur ist er im Rahmen von Standortbegehungen oft bei den in Dänemark ansässigen Kunden von FM vor Ort.

In diesem Interview beantwortet Barsoum, Senior Consultant Engineer, einige Fragen zu Dänemark. Dabei geht er darauf ein, was das Land so einzigartig macht, welchen Herausforderungen es sich stellen muss und was für Köstlichkeiten Kopenhagen zu bieten hat.

Was macht Dänemark so stark?

Ein Grund ist wohl das starke Sozialsystem, für das Dänemark bekannt ist. Wir profitieren von einem kostenfreien Bildungsangebot bis hin zum Hochschulabschluss und einer Gesundheitsversorgung, die allen frei zugänglich ist. Unsere Wirtschaft floriert. Zwar hatte auch Dänemark mit der Inflation zu kämpfen, sie konnte aber im Vergleich zu anderen Ländern relativ gut unter Kontrolle gehalten werden. Im Hinblick auf die technischen Voraussetzungen kann Dänemark mit einer sehr guten Infrastruktur aufwarten. Zu erwähnen ist natürlich auch Dänemarks Vorreiterrolle bei Maßnahmen zum Klimaschutz und der Energiewende. Das zeigt sich zum Beispiel an der Anzahl der Elektrofahrzeuge und beim Ausbau der Ladeinfrastruktur.

Dänemark hatte schon immer sehr gute Beziehungen zu seinen Nachbarländern, zur Europäischen Union und den anderen skandinavischen Staaten.

Gibt es über die Makrofaktoren hinaus Aspekte, die zur Resilienz des Landes beitragen und sich dabei aus der Lebensphilosophie der Bevölkerung in Dänemark ergeben?

Ich denke schon. Die dänische Bevölkerung ist sehr stolz auf das, was Dänemark ausmacht. So sind wir zwar Mitglied der Europäischen Union, aber nicht Teil der Eurozone, sodass wir nach wie vor unsere eigene Währung haben – die Dänische Krone.

Außerdem sind die Menschen in Dänemark sehr gut darin, Arbeit und Privatleben in Einklang zu bringen. Eine sehr gute Work-Life-Balance hilft dabei, sich Zeit für die neue Generation, die Kinder, zu nehmen. Wir kümmern uns um viele verschiedene außerschulische Aktivitäten und engagieren uns in unterschiedlichen Clubs und Sportvereinen, was ein sehr starkes Fundament für die nächste Generation schafft. 

Sie sind im Rahmen Ihrer Arbeit bei Kunden in Dänemark vor Ort, haben aber auch Erfahrung mit Standortbegehungen in anderen Ländern. Was ist das Besondere an dänischen Unternehmen?

Dazu fällt mir vor allem ein Wort ein: Disziplin. Die Atmosphäre ist sehr locker, aber gleichzeitig auch diszipliniert. Die Menschen übernehmen Verantwortung für ihre Arbeit und ihre Leistung und sie erhalten die für ihren Job erforderliche Ausbildung und Schulung. Eigenverantwortung ist etwas, das die Menschen hier wirklich antreibt.

Sie haben auch Erfahrung in Ägypten gesammelt. Wie würden Sie Ägypten und die Bemühungen des Landes zur Stärkung der Resilienz beschreiben?

Wenn ich Ägypten betrachte, sind die Voraussetzungen natürlich ganz anders als in Dänemark. Das Land befindet sich in einer Übergangsphase. Ägypten steht vor zahlreichen Herausforderungen. Die meisten unserer Kunden sind jedoch multinationale Unternehmen und so werden Maßnahmen zur Stärkung der Resilienz von der Konzernleitung aus gesteuert. Was die Kunden vor Ort betrifft, ist deren Resilienz recht gut, das Land insgesamt macht jedoch im Moment eine schwierige Zeit durch.

In Ägypten gibt es viele hochqualifizierte Ingenieur*innen und wirklich kluge Köpfe. Aber ich denke, dass ihnen die benötigten Ressourcen nicht in dem Maße zur Verfügung stehen, wie es in Dänemark der Fall ist.

Selbst die Länder, deren Resilienz vergleichsweise hoch ist, haben mit bestimmten Herausforderungen zu kämpfen. An welchen Bereichen könnte Dänemark noch arbeiten?

Das öffentliche Bildungssystem ist nicht mehr das, was es einmal war. In letzter Zeit gibt es auch Probleme im Gesundheitssektor. Wie können wir älteren Menschen die Unterstützung zukommen lassen, die sie benötigen? Es fehlt das Personal in der Kranken- und Altenpflege. Auch im Bereich der frühkindlichen Bildung wird vielfach über einen Mangel an entsprechend ausgebildeten Erzieher*innen gesprochen.

Als resilientes Land versuchen wir jedoch, die Situation in den Griff zu bekommen und die dafür erforderlichen Ressourcen bereitzustellen. Natürlich haben wir Probleme, aber im Vergleich zu anderen Ländern stehen wir meiner Ansicht nach ziemlich gut da.

Bei welchen Aspekten können sich andere Länder an Dänemark ein Beispiel nehmen?

Als Erstes wäre da die Infrastruktur zu nennen, sei es im baulichen oder im technischen Bereich. Ein weiterer Punkt ist die öffentliche Verwaltung, die Teil der Infrastruktur ist. Die Verlängerung des Reisepasses dauert zum Beispiel nur fünf Minuten und ich kann den Pass in weniger als zwei Wochen erhalten. In anderen Ländern müssen Sie sich dafür lange anstellen.

Wohin würden Sie Besuchende führen, um ihnen das „echte Dänemark“ zu zeigen?

Kopenhagen. Die Stadt ist sehr international ausgerichtet und bietet gleichzeitig viel, was so nur in Dänemark zu finden ist. Bekannt sind die dänischen Wurst-, Bacon- und Schweinefleischspezialitäten sowie die einzigartigen Käsesorten. Außerdem mögen wir in Dänemark süßes Gebäck, „Wienerbrød“ genannt. Nirgendwo sonst schmeckt das so gut.

FM Resilience Index 2025