Forschung und Entwicklung als Grundpfeiler der gewerblichen Sachversicherung
Innovation bringt die moderne Geschäftswelt voran. Für Versicherer ist Forschung und Entwicklung (F&E) jedoch Grundvoraussetzung, um Risiken besser vorherzusehen und potenzielle Schäden sowie Verluste zu minimieren.
Versicherung ist im Grunde das effektive Zusammenspiel zwischen Risikobewertung und -reduzierung. Im Zeitalter sich ständig verändernder Risiken ist ein neuer Ansatz beim Risikomanagement erforderlich. Ob globale Konflikte, Cyberkriminalität, Handelsstreitigkeiten, technologischer Wandel oder Extremwetter: Risikoverantwortliche sind mit einer zunehmend komplexen Risikolandschaft konfrontiert. Vor diesem Hintergrund bietet eine Investition in die effektive Überwachung neuer Gefährdungen wichtige Vorteile bei der Schadenverhütung und -minimierung. Dafür spricht auch ein Bericht der US-Handelskammer aus dem Jahr 2024: Es wird geschätzt, dass jeder in Resilienz investierte US-Dollar die Kosten eines Schadens um 6 USD reduzieren kann. Für die Versicherungsbranche bedeutet dies eine potenzielle Rendite von 600 %.
Durch F&E lassen sich neue Risiken schneller identifizieren und Strategien zur Schadenverhütung optimieren. Im Rahmen von präzisen, quantitativen Analysen werden große Datenmengen herangezogen, um Risiken statistisch abzubilden. Hinzu kommen qualitative, fundierte Analysen, die auf empirischen Daten und Belastungstests aus der Praxis basieren.
„Der Sektor Risikoprävention muss mit einer Welt im Wandel Schritt halten“, erklärt Lucien Hoffmann, Science Director am Luxembourg Institute of Science and Technology (LIST) und Leiter eines Teams zur Untersuchung neuer Bedrohungen. Das LIST ging kürzlich eine Partnerschaft mit dem globalen Industriesachversicherer FM ein, um Entwicklungen in den Bereichen Cyberkriminalität und Klimawandel im Blick zu behalten. „Wissen muss auf dem neuesten Stand bleiben. Dies kann nur durch umfangreiche Investitionen in Forschung erreicht werden“, erklärt Hoffmann. „Versicherer, die in Sachen Resilienz an der Spitze stehen, betrachten Forschung und Innovation als zentrale strategische Säulen – nicht als optionale Extras.“
Unternehmen scheinen zunehmend an engeren Partnerschaften mit Versicherern interessiert zu sein. Die Geneva Association – ein internationaler Verband von Versicherungsunternehmen – bestätigt dies mit einer Umfrage aus dem Jahr 2023: 86 % der Versicherungskunden in China, 73 % in Deutschland und 69 % in den USA sind an zusätzlichen Services zur Schadenverhütung interessiert.
Forschung zahlt sich aus
FM investiert intensiv in Forschung und stützt sich bei seinen Analysen auf Daten, die im Rahmen von Zehntausenden regelmäßigen Begehungen an Kundenstandorten erhoben wurden. Mit diesem Ansatz ist es möglich, sich ein umfassendes, klares Bild der Risikofaktoren zu verschaffen. „Wir glauben, kein anderes Unternehmen auf der Welt hat so viele auf Forschung und Engineering basierende Projekte wie wir durchgeführt, um herauszufinden, wie Schäden entstehen, sei es durch Feuer, Explosionen oder Naturgefahren“, berichtet Pentti Tofte, Senior Vice President für Innovation, Analytik und KI bei FM. „Auf diese Weise können wir die Ursachen von Schäden, ihre Vorboten und schließlich Strategien zur Vermeidung ermitteln.“
Es überrascht nicht, dass künstliche Intelligenz in der Branche eine immer größere Rolle spielt. Zu diesem Thema führte das Deloitte Center of Financial Services im Juni 2024 eine Umfrage mit 200 Führungskräften aus der Versicherungsbranche in den USA durch. 76 % der Befragten gaben an, dass ihr Unternehmen bereits generative KI in einem oder mehreren Geschäftsbereichen einsetzt. Versicherer verfügen über riesige Datenbestände zu Schäden. KI bietet nun die Möglichkeit, aus dieser Fülle an Informationen wertvolle Erkenntnisse abzuleiten.
KI-gestütztes Risikomanagement
FM hat eine Reihe von KI-Tools zur Erkennung von Risiken entwickelt. Damit lassen sich beispielsweise die Standorte identifizieren, an denen ein Schaden mit hoher Wahrscheinlichkeit auftreten wird. So können Kunden ihre Investitionen optimal planen. Modellanalysen zu den Auswirkungen der neuen KI-Tools zeigen: Ein Einsatz dieser Tools vor fünf Jahren hätte zu einer 2,5-fachen Verbesserung der Risikoqualität geführt und damit zu einer Schadenreduzierung in Höhe von 2 Mrd. USD.
Künstliche Intelligenz ist jedoch auch mit Herausforderungen verbunden. Aus dem Kennedys Global Forecast Report 2025 geht hervor, dass die Einführung von KI inzwischen das größte neue Risiko für Versicherer darstellt – noch vor Cyberangriffen. Sicherheitsmaßnahmen sind daher unabdingbar. „Wir wählen unsere Datenwissenschaftler*innen nach einem strengen Verfahren aus“, berichtet Tofte. „Bei der Entwicklung von KI-Modellen erwarten wir von ihnen dasselbe Maß an Sorgfalt, das wir auch von unseren Engineering-Teams erwarten. Unsere Grundregel für KI lautet: Der Mensch sitzt am Steuer. Wir setzen auf menschliche Kontrolle statt blindes Vertrauen.“
Ein Bereich, der besondere Aufmerksamkeit erfordert, ist Industrie 4.0 und die Fabrik der Zukunft. „Neue Technologien halten so schnell Einzug, dass Kunden die Risiken kaum noch einschätzen können“, berichtet Dr. Roland Schaefer, Research Director für Automatisierung und Cybersicherheit bei FM. „Wenn KI über wichtige Dinge wie Wartung oder Kühlung entscheidet, stellt sich die Frage: Was passiert, wenn das Modell fehler- oder lückenhaft ist?“
Ganz gleich, ob KI, Cyberkriminalität oder Extremwetter: Die Überwachung und Bewertung von Risiken sowie die Entwicklung von Lösungen muss im Einklang mit den Veränderungen stehen. Gezielte Investitionen und eine bessere Zusammenarbeit sind hier die einzig glaubwürdige Antwort. „Die Bereitstellung von Ressourcen für Forschung und Innovation im Bereich Schadenverhütung ist von zentraler Bedeutung“, betont Hoffmann vom LIST. „Nicht nur für die Verbesserung der Effizienz und Rentabilität, sondern auch für die gesellschaftliche Resilienz, die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und die langfristige Nachhaltigkeit.“
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